Mahnendes Beispiel für vorwitzige Topmanager
Peter Lustig ist tot. Eine Reihe von Medien machten aus der Hauptfigur in der ZDF-Serie „Löwenzahn“ einen Kinderhasser, die „Bild am Sonntag“ vorneweg. Ursache war ein ungeschickt ehrlicher Zeitungsbeitrag. Lesen Sie hier, wie Lustig übel mitgespielt wurde.
Die Kinderhasser-Geschichte nimmt mit einem Beitrag von Peter Lustig im Oktober 2002 in der „Stuttgarter Zeitung“ seinen Lauf, wie der Bild-Blog recherchiert hat:
Ich will kein Über-Onkel sein, sondern jemand, mit dem sie sich identifizieren können. (…) Wenn ich etwas sein will, dann ein Zwischenglied zwischen den so genannten Fachleuten und dem Publikum. Jemand, der von nichts richtig Ahnung hat, der aber so lange fragt, bis er alles versteht. Und dann kann ich es weitergeben, und zwar so, dass es auch Kinder verstehen können. Das ist meine Kunst geworden im Laufe der Jahre. Und ich kann gut mit Kindern umgehen. Vielleicht weil ich ihnen sage: Ich nehme dich so, wie du bist, du mich aber bitte auch, und so kommen wir gut klar.
Sicher, Kinder stören und sind klebrig, na und? Das wissen die doch selbst. Und natürlich stören sie, sie haben aber auch ganz andere Ansprüche, und die haben sie mit Recht. Vielleicht merken Kinder, dass ich sie akzeptiere und daher akzeptieren sie mich auch und sagen, eh, der Lustig ist cool. Ich weiß nicht, was an mir cool ist, aber sie sagen es.
Nur in der Sendung möchte ich sie nicht, mit Kindern zu drehen ist anstrengend, und sie gehören einfach nicht vor die Kamera. Das ist Quälerei, immer. Ganz selten sage ich, gut, wir müssen aus dramaturgischen Gründen da ein Kind mit einbauen. Aber das ist eigentlich nichts für Kinder. Wieso, fragen sie, wieso soll ich das noch einmal machen, war doch gut? Nein, da war der Ton, und dies und jenes, los, noch einmal. Und dann sollen sie auch noch Gesichter dazu schneiden. Nee.
In diesem Text ist Lustig schlicht und einfach ehrlich. Und ein wenig naiv. Wer will, der nutzt Lustigs Zeilen für Fehldeutungen. Offensichtlich war die „Bild am Sonntag“ auf den Löwenzahn-Moderator aufmerksam geworden und titelte kurze Zeit später zu einem Interview: „Peter Lustig: Ich kann Kinder nicht leiden.“ Dieses Interview stempelt ihn zum Kinderhasser ab. Am nächsten Tag veröffentlichen weitere Medien, ohne zu hinterfragen, zum Beispiel in „Die Welt“:
Peter Lustig, beliebter Kinderfernseh-Moderator, hält nichts von seinem jungen Publikum. „Ich kann Kinder nicht leiden, finde sie anstrengend“, sagte Lustig der „Bild am Sonntag“. „Die sollen die Sendung gucken und dabei ihren Spaß haben. Aber ich mag sie da nicht um mich herumhaben“, so der 65-Jährige, der als Mann mit Latzhose und Nickelbrille aus der Sendung „Löwenzahn“ bekannt ist. Nicht genug damit: Der vermeintliche Parade-Großvater glaubt sogar, dass überhaupt niemand Kinder mag: „Ich bin wie alle Erwachsenen der Meinung, Kinder sind entweder klebrig, oder sie stören oder sind laut. Ich bin kein Kinderonkel, das ist ein Missverständnis“, klagte Lustig der Zeitung.
Wurde Lustig von Bild am Sonntag-Redakteuren vorgeführt? Hatte er auf eine Freigabe des Interviews verzichtet? Oder hat er sich gegen die „Bild am Sonntag“ nicht durchsetzen können? Wie auch immer, mit dieser Welle der Negativberichte wurde der Löwenzahn-Ikone die tiefe Abneigung gegen Kinder angeheftet.
Ein Dementi des ZDF half nichts. Ein Interview habe in dieser Form nicht stattgefunden, berichtet ddp. Lustig weise die Aussagen zurück. Sie seien nicht autorisiert gewesen. Das ZDF hat mit dieser Krisen-PR nicht wirklich geglänzt. Was denken Menschen, wenn sie hören, dass Lustig die Aussagen zurück weist? Er versucht zu retten, was zu retten ist. Und wenn es heißt, die Aussagen seien nicht autorisiert? Dass es sie wirklich gab, selbst wenn sie nicht autorisiert wurden.
Von medienrechtlichen Schritten wird unterdessen nichts berichtet. Sollte Lustig darauf verzichtet haben, wäre das ein weiterer Fehler.
In der Zeit nach dieser Kommunikationskrise versuchte es Lustig weiter mit Dementis, konnte aber sein Bild in der Öffentlichkeit nicht mehr ändern. So berichtet der Bild-Blog von einem Interview in „Neon“:
Über mich haben sie einmal verbreitet, ich würde keine Kinder mögen. Absurd! Aber bei den Menschen bleibt so etwas kleben.
4 Lehren für die Krisen-PR
Was lernen Krisenkommunikatoren aus diesem Schicksal von Peter Lustig?
- Vermeide Aussagen, die den Kern der eigenen Positionierung konterkarieren könnten. Lustig hat ehrlich gesagt, dass er – der Kinderstar! – mit Kindern ungern vor der Kamera arbeitet, und damit die Steilvorlage für böswillige Missverständnisse geliefert. Topmanager sollten Derartiges in wirtschaftlichen Themen vermeiden, Topjuristen in Fragen zur Rechtsprechung und Markengurus zu den entscheidenden Markenwerten. In Kernthemen dürfen keine unnötigen Flanken eröffnet werden – auch wenn es gut gemeint ist.
- Interviews bedürfen sorgfältiger Vor- und Nachbereitung inklusive eindeutiger Verabredungen mit der Redaktion zur Freigabe der Druckfassung. Bei Wortlautinterviews ist das relativ einfach; schwieriger wird es bei Berichten mit indirekter Rede.
- Schwache Dementis helfen bei missglückten Interviews nichts. Wer nun noch etwas retten möchte, muss klare Kante zeigen.
- Keine Scheu vor medienrechtlichen Schritte bei Falschberichterstattung.
Jörg Forthmann
Gutes Beispiel, weil es so klar und einfach nachvollziehbar ist.
Viele Themen und andere Fälle sind nicht so zugänglich, um Fehler in der journalistischen Zuspitzung aufzuzeigenn. Es könnte in jeder Journalistenschule auf den Lehrplan kommen und passt zum Klassiker „Unsere tägliche Desinfirnation“ von Altmeister Wolf Schneider.
Hallo Herr Barckhan,
vielen Dank für das positive Echo, das ich gerne an die Kollegen vom Bild-Blog weitergebe.
Beste Grüße aus Hamburg
Jörg Forthmann
Aber dann das Wort Lügenpresse zum Unwort des Jahres erklären – nun ja …